Der Weinhandel lag am Boden, die Einkommen der Winzer gingen stark zurück, während die Kosten der Betriebe unverändert blieben bzw. anstiegen. Die starke Verschuldung stellte eine existenzielle Bedrohung des Winzerstandes dar. Um auf ihre Not aufmerksam zu machen, demonstrierten sie in vielen Städten an der Mosel. Nach Demonstrationen in Bullay und Cochem wurde eine solche Versammlung am 25. Februar in Bernkastel-Kues einberufen. Gegen Nachmittag kamen Scharen von Winzern aus den moselabwärts gelegenen Ortschaften per pedes und per Schiff in Bernkastel an. Etwa 2000 Mann formierten sich zu einem Demonstrationszug. Auf mitgebrachten Schildern standen Aufschriften und Forderungen, die auf die Situation der Winzer Bezug nahmen, etwa:
„Die Weinsteuer ist Blutgeld von des Winzers Fleiß,
drum schafft sie hinaus aus dem Winzerkreis.
Bis die Schraube abgebunden, ist der Winzer totgeschunden.
Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß,
wie die Not des Winzers trotz allem Schweiß.
Weinbau unsere Hoffnung. Hunger unser Los.
Erwacht ihr Winzer, zeigt euren Mann,
drum auf nach Bernkastel, wer nur von euch kann.
Gebt uns Handgranaten als Zahlungsmittel für's Finanzamt.
Nieder mit der Reichsweinsteuer, denn sie macht den Wein teuer.
Fort mit der Regierung an der Spree. sie ist des Winzers Not und Weh.
Ihr trinkt spanischen Wein, drum zieht auch von Spanien die Steuern ein.
Im Keller liegt der Wein, im Stall steht kein Schwein.
Michel geh in dich, Berlin besinn dich.
Dort wo die Zitronen blühn, setzet das Finanzamt hin.“*
*(Der Bezug auf Spanien erklärt sich mit der in einen Handelsvertrag beschlossenen begünstigten Einfuhr spanischen Weins)
Winzerzorn entfesselt
Das Ziel des Zuges wurde schnell klar: Das Finanzamt, das sich damals im Stadtteil Bernkastel befand, Ecke Schanzstraße/Schloßweg. Dort angekommen, eskalierte die Situation schnell. Fensterscheiben wurden eingeworfen, Steuerakten zerrissen, Tische, Stühle, Schreibmaschinen auf die Straße hinausgeworfen. Dann zog der Demonstrationsweg in die Burgstraße, um die dort gelegene Finanzkasse zu stürmen. Auch hier wurden Akten auf die Straße befördert und zerstreut. Ähnliche Behandlung wurde den Unterlagen des Zollamtes in der Bahnhofstraße in Kues zuteil.
Reaktionen
Die Obrigkeit reagierte, wie zu erwarten war: Schon am gleichen Abend trafen Polizeibeamte aus Trier zur Verstärkung an, bereits am nächsten Tag gab es die nächsten Verhaftungen. Dagegen aber protestierten die Einwohner Bernkastels und der Nachbargemeinden: mit einem gewissen Erfolg! Die Festgenommen wurden entlassen, das gerichtliche Verfahren nahm seinen Lauf.